[...]
DIE GÄNSEMAGD
>Es lebte einmal eine alte Königin, der war ihr Gemahl schon lange
Jahre gestorben, und sie hatte eine schöne Tochter. Wie die erwuchs, wurde
sie weit über Feld an einen Königssohn versprochen. Als nun die Zeit
kam, wo sie vermählt werden sollten und das Kind in das fremde Reich
abreisen mußte, packte ihr die Alte gar viel köstliches Gerät
und Geschmeide ein, Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was nur
zu einem königlichen Brautschatz gehörte, denn sie hatte ihr Kind von
Herzen lieb. Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die
Braut in die Hände des Bräutigams überliefern sollte, und jede
bekam ein Pferd zur Reise, aber das Pferd der Königstochter hieß
Falada und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich die
alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und schnitt damit in ihre
Finger, daß sie bluteten; darauf hielt sie ein weißes Läppchen
unter und ließ drei Tropfen Blut hinfallen, gab sie der Tochter und
sprach: "Liebes Kind, verwahre sie wohl, sie werden dir unterwegs not tun."<
Die Tochter der Königin ist über Feld versprochen. die Mutter, alt
und schon lange ohne Gemahl, macht ihr als MitGift einen Schatz dinglichen
Reichtums zum Gepäck.
Rotkäppchens Schatz, deswegen sie ihre Reise
antrat, war Kuchen und Wein. wir erkannten sie als die luxuriösesten
Erzeugnisse der Kultur, von denen man, indem man die Nahrung zu sich nimmt,
besondere Stärkung und Genuß hat.
Anscheinend macht sich auch die Tochter unseres Märchens auf jenen Weg,
der womöglich die Jahre verbinden soll. auch sie erhält
luxuriöse Erzeugnisse der Kultur. auch dieser Schatz verhilft zum
Genuß: aber auf besondere Weise: er ist der Aus=Fall aus dem Reichtum des
JAHRES, von jenem Teil erbracht, der übrig blieb. der
also jenseits des Notwendigen geriet. von da=her kommt, in
Formen gegossen und dem HANDEL vertraut, das Gold und bereichert den Haushalt
zur Ewigkeit hin: diese kulturellen Güter können nicht verderben!
Freilich schickt nicht die prall im Leben
stehende Mutter das Kind auf den Weg, sondern jene, die alt ist und die Freuden
der Fruchtbarkeit, es sind auch Freuden am Geschlecht, lange schon
vergaß. In diesem Sinne ist sie der Großmutter Rotkäppchens
ähnlicher als der Mutter desselben.
Dann aber bedurfte auch die Königstochter
der GoldKugel, daß sie der Froschkönig erkennt. und: da die Mutter
so weit jenseits ihrer geschlechtlichen Freuden geriet, muß sie sich in
die Finger schneiden, daß Blut daraus tropft?
Wir erinnern uns der Schwester der sieben Raben,
die sich einen Finger abschnitt, um zu ihren jenseitigen Brüdern zu
gelangen. die Mutter Aschenputtels schneidet sich in diesen,
gibt ihm eine menstruierende Vagina. Das magische Ritual verschwört also
das sich entfernende Mädchen dem geheimen Blut, dessen die Mutter
womöglich schon entsagen mußte, so daß sie tatsächlich
eher wie eine Großmutter, denn wie eine Mutter handelt, die noch mitten
in der Fruchtbarkeit steht. Aber: hätte sie sich nicht doch mit einer
Spitze stechen müssen? statt mit einem Messer? ist dieser Zwiespalt das
Dilemma der Mutter?
Nicht nur überhäuft sie das Kind mit
einem Schatz, Ergebnis eines langen Lebens /der Froschkönig erkennt die
Königstochter an einem Spielzeug!/ so gibt sie ihr noch eine Kammerjungfer
bei, eine Konkurrentin im Geschlechtlichen: wieder stellt sie den STAND
über die einfache Wahrheit der Hochzeit: das geschlechtliche Verlangen:
der Froschkönig will das Mädchen, das unter ihm zur Frau wird!
Wäre ein weiterer Fehler, das Kind auf ein
Pferd zu setzen? PFERD: Roß: geht auf 'springen', dem Wort springen
zugehörige Substantive sind althochdeutsch Sprung, mittelhochdeutsch sprunc.
altgermanisch spryng 'Wasserquell' und mit Ablaut
neuhochdeutsch Spring, mittelhochdeutsch sprinc 'Sprung,
Quelle, Springbrunnen'. Wurzel *spergh-, nasaliert *sprengh-
'sich hastig bewegen'; eine Ablautform *sprogh- in altnordisch
sproga 'hüpfen'.
Das Pferd stellte die Königstochter dann
doch zur Welt des Froschkönig in Beziehung, aber auch die Kammerjungfer
bekommt derlei unter sich: der Unterschied: das der Königstochter hat
einen Namen und kann sprechen.
also der Name: fahl ist zu
indogermanisch *pel-: *pol- in
Ausdrücken für unscharfe Farben. falb: aus
mittelhochdeutsch val, valwer haben sich zwei
neuhochdeutsche Wörter entwickelt: fahl und falb. die GRIMMs schreiben:
Besonders merkwürdig . . ist der Name Falada (die mittlere Sylbe kurz),
weil Rolands Pferd, Valentich, Falerich, Velentin, in den Heimonskindern . .
Volatin heißt, und das Pferd Wilhelms von Oranse . . Volatin, Valatin,
Valantin.
VOLAND: Teufel mit der älteren Nebenform
Valand, mittelhochdeutsch valant 'Teufel': ein altes Partizip
mit der Grundbedeutung 'der Schreckende'. Verwandt sind altnordisch fala
'Riesenweib, Hexe', faela 'erschrecken', femtr
'Schreck', eal-felo 'verderblich, schrecklich'.
fala (vgl. mittelhochdeutsch
valentinne) ist nach NECKEL hexe, rie-sin. falda: (feit,
faldinn) jemande / jemanden eine kopfbedeckung aufsetzen, faldr:
helmartige, weibliche kopfbedeckung. fela : (fal, folginn;
gotisch filhan) I. verstecken, verbergen, im eigentlichen sinne; unsichtbar
(wegen der weiten entfernung) anbringen; 2. tauchen; 3. in Sicherheit bringen,
und einen in jemandes hut oder gewalt; jemand aufbewahren.
Dem heiligen Valentin ist der 14. Februar
bestimmt. Bei uns gilt, vielleicht durch den Wortanklang (Valentin - fallen)
Valentin als Unglückstag. In Nordfrankreich, Belgien, England, heute
besonders in Amerika, ist Valentin großer Tag der Liebenden mit einem
unserem Neujahr vergleichbaren Aufwand von Glückwunschkarten.
Schulfreunde, Verwandte, Ehefrauen, am meisten junge Mädchen erhalten Valentine
Greetings mit aufgemalten Herzen und Sprüchen . . In Betracht
kommt auch der in manchen Gegenden bestehende Volksglaube, daß am 14.
Februar Vogelhochzeit sei.
[...]