ENTREE
Wenn Gold=Marie in den Brunnen springt, findet sie sich wieder im Himmel. das
jedenfalls müssen wir annehmen, da es, wenn sie die Betten der Frau Holle
aufschüttelt, bei uns Irdischen schneit.
Was also für eine seltsame Schalt=Stelle ist der
Brunnen? als er die Tiefe mit der Höhe verbindet?
Zum einen hält er Wasser zur Verfügung. die TIEFE
gibt uns reines, klares, kühles Naß. das ganze Jahr: so oft wir den Eimer
herabsenken und gefüllt aufholen: das Wasser bleibt dort unten in Niveau und
Qualität beständig.
Ist das Wasser, als wir es dem Brunnen entnehmen,
von kristallener Schönheit und Helle, unten, so wir hinabschauen in die Tiefe,
ist es schwarz, rätselhaft und still. ist nichts anderes als: da. und spiegelt
in eigentümlicher Gelassenheit den Himmel. und uns.
Das Wasser oben um uns ist von vielfältiger
Beweglichkeit: springt in Bächen, fließt in Flüssen, steht im Teich, fällt als
Regen, Hagel, Schnee. Des Sommers hilft es in seiner belebenden Frische dem
Wachsenden auf, im Winter, da es der Frost steinhart friert und der Schnee das
Land mit weissem Pulver bedeckt, macht es die Welt tot und stumm.
Das Wasser im Brunnen aber bleibt davon
unberührt. Es springt nicht, siedet nicht, verrinnt nicht, gefriert nicht. Es
spiegelt den Himmel und füllt uns den Eimer. ist unten schwarz wie Blei und
oben von klarster Helle.
Hat das Wasser um uns viele Arten zu sein, im
Brunnen ist es beständig: selbst. so als wäre das Wasser des Brunnens die
Urkraft desselben. als das Wasser jenseits des Wassers, das
uns nur im Brunnen erscheint, als das SEIN, das nicht nur sich selbst
fortwährend gibt, sondern alles, was über ihm erscheint, wieder=zeigt. Es gibt
allem, was sich über es beugt, klares AbBild.
So erhält uns das Wasser des Brunnens die Kraft
des Lebendigen, ja, gibt sie, da jenes auf der Erde, zu Eis und Schnee
gefroren, uns ein TodFeind ward.
Wenn das Wasser des Brunnens die UrKraft
desselben ist, so muß es allen Wassern gebieten. allen Wassern in allen Formen:
jenes, das aus der Erde quillt, ist freilich vom Brunnen geschickt, ja, ist der
Brunnen selbst, unterschied man doch sprachlich nicht zwischen der Quelle und
dem Brunnen. Aber auch zum Himmel muß es eine Verbindung haben, als er es von
oben regnen und schneien läßt.
Spiegelt es nicht das OBEN? unten tief im//aus
dem Schoß der Erde? verbindet das Wasser des Brunnens nicht also auf
geheimnisvolle Weise das Disparateste: die vollkommene Trennung des OBEN und
des UNTEN in Himmel und Erde? gebietet es nicht den Kräften des Himmels und der
Erde, daß sie im KREIS DES JAHRES zueinander finden? bewirkt
es also nicht den zyklischen Verlauf desselben, womit die
Energien disparater Orte zueinander finden, das Lebendige zu ermöglichen?
denn die Kräfte, gesondert gehalten, sind von
tödlicher Einseitigkeit: die Sonne des Himmels dörrt, während das Wasser der
Erde ertränkt. Für sich sind sie zuviel an sich, und beherrschen den Ort, wo
sie also Gewalt haben, zueinandergeführt, nimmt das Wasser von der Sonne ein
gut Teil seiner lethargischen, ertränkenden Kraft, indem sie es in
verschiedener Weise bekräftigt, gar aufhebt zu sich, verfrachtet und als Regen
sanft verstreut.
Die ATMOSPHÄRE ist der Ort, wo das Wasser des
Brunnens und die Hitze der Sonne miteinander tun. und wo die Vielfalt der
Erscheinungen die Nuancen des Lebendigen wie natürlich gewähren, und jene
vereinseitigende Kraft, die, also dominierend, tödlich wirkt, verhindern.
Wenn Gold=Marie in den Brunnen springt, fällt sie
in das Reich bewirkender Kraft.
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